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Montag, 27. August 2012

Eurokrise: Droht ein Rückfall in die Renationalisierung?


Die Eurokrise betrifft auch die Bewohner des ländlichen Raums, deshalb ein Beitrag zur Debatte.

In der Diskussion über die Zukunft der Euro-Zone wird immer wieder vor dem Rückfall in die Renationalisierung gewarnt. Aber wie glaubhaft ist dieses Argument?

Die Schaffung einer gemeinsamen Währungsunion könnte als eine Etappe in der Europäischen Politik angesehen werden. Aber die Frage stellt sich schon vorab, warum einige EU-Länder Euro-Mitgliedsstaaten geworden sind und andere nicht? Heute wird offensichtlich, dass die jeweilige Motivation der Mitgliedsstaaten, der Euro-Währungsunion beizutreten, sehr unterschiedlich war. Zudem wurde nicht darauf geachtet, ob die Länder ökonomisch zusammenpassen. Durch Druck Frankreichs wurden wider besseres Wissen Staaten zugelassen, die sich für die Währungsunion nicht eigneten. Diese Motive waren zum Teil nicht von gemeinschaftlichen Idealen getragen, sondern von unterschiedlichen nationalen Interessen. Dies war zum einen die Motivation, die Handlungsfähigkeit der Deutschen Bundesbank einzuschränken und zum anderen, wie sich heute herausstellt, möglichst günstig an Staatsanleihen, wie Deutschland sie bekommt, aber zusätzlich noch in beliebiger Höhe, zu kommen. An der früheren nationalen Weichwährungspolitik wurde aber nach einer Auszeit weiter festgehalten. Diese wurde jedoch ohne Rücksicht auf das geltende Recht und das Vertrauen der Gläubiger ständig gebrochen - man berief sich stets auf eine Notlage. Die Europäische Zentralbank (EZB) bzw. die Währungsunion ist nicht gegründet worden, um die Anleiherenditen zu reduzieren, wie es heute vielfach südliche Länder für sich behaupten. Die deutsche Regierung hat zur Bedingung ihrer Mitgliedschaft in der Eurozone Stabilitätskriterien, Haftungsausschluss-Regeln für Schulden anderer Staaten und für die neue europäische Zentralbank ähnliche Regeln bzw. Strukturen wie bei der Bundesbank eingefordert. Diese Forderungen waren notwendig, da Deutschland bei Nichtbeachtung der währungspolitischen und marktwirtschaftlichen Vernunft am meisten zu verlieren hat. Rückblickend zeigt sich heute, dass sowohl die Kriterien und Regeln als auch die Unabhängigkeit der EZB ständig ignoriert wurden, aber auch, dass selbst die Angaben bei der Aufnahme nicht kritisch überprüft wurden und die Stabilitätskriterien unbrauchbar waren. Denn bei einer schwachen Volkswirtschaft sind 3% Neuverschuldung und 60% Staatsverschuldung noch viel zu hoch. Hier hätte man die Kriterien an die nationale Wirtschaftskraft bzw. an die Handelsbilanz koppeln müssen. Bei der Aussetzung der Bestrafung für die Neuverschuldung hat die deutsche Regierung unter Schröder auch eine Mitschuld bei der Umgehung der Regel, eine höhere Neuverschuldung zu bestrafen, auf sich geladen. Wenn nun die griechische Regierung bei der Meldung von gefälschten Zahlen ihren Eintritt in die Eurozone getrickst hat, dann ist dies auch der nationalen griechischen Politik zuzuschreiben, die unbedingt und koste es was es wolle, in die Eurozone aufgenommen werden wollte. Die Probleme, die zur Krise der Währungsunion führten, sind letztendlich in der Vorrangstellung der jeweiligen nationalen vor gemeinschaftlichen Interessen zu suchen. Vor allem im Zusammenhang mit der höheren nationalen Neuverschuldung. Wenn nun dieses System der Eurozone auseinanderbrechen sollte, dann hat dies seine Gründe in der fehlerhaften Aufnahme von ungeeigneten Mitgliedsstaaten, die zudem noch die Mehrheit als Schuldner gegenüber den Gläubigern in dem EZB-Rat stellen. Weiterhin existiert eine unbegrenzte Haftung ohne eine Zentralmacht, die beschlossene Regeln durchsetzt. So stehen hier die Nationalinteressen einer Lösung im Weg. Wenn die Wiedereinführung von Nationalwährungen oder Süd- und Nordeurowährungen notwendig sein wird, dann hat dies seinen Grund darin, weil die Grenzen der Schuldenumverteilung unter den Mitgliedsstaaten erreicht sind, d.h. sowohl finanziell als auch politisch. Aber auch die geringer werdende Glaubwürdigkeit der zuständigen Politiker und der ,Währungshüter' sowie Verstöße gegen das ursprüngliche Regelsystem der EZB tragen dazu bei. Eine Wiedereinführung der DM wird zwar in der Diskussion immer wieder in Abrede gestellt, aber wenn ein neues System nicht funktioniert, sollte man auf ein bewährtes System zurückgreifen, welches zudem mehr Vertrauen genießt und eine realistischere Geldpolitik betreibt. Der Frust der Verantwortlichen, die das neue Eurozone-System ausgehandelt haben, ist zwar groß und andererseits auch verständlich. Dennoch sollten diese die Größe besitzen, ein Scheitern ihres Systems zuzugeben, wenn sie etwas an Glaubwürdigkeit und Selbstrespekt bewahren wollen. Neue Luftschlösser bauen bringen nichts. Denn nichts ist verheerender, als wenn man Versprechungen nicht nur nicht einhält, sondern auch noch die betroffenen Bürger für die Fehler der Politik haften lässt. Dieses Eingestehen des Scheiterns ist gerade auch deshalb notwendig, weil einem großen Teil der Bevölkerung in der Eurozone durch eine Weiterso-Politik langfristig geschadet wird. Und dies wird letztendlich sehr schädlich sein für die zukünftige europäische Politik insgesamt, auch in anderen Themenfeldern.
Es ist eine Illusion, dass eine supranationale Organisation oder ein europäischer Bundesstaat als Zentralmacht, der nebenbei bemerkt so schnell nicht kommen wird, die Probleme löst. Gerade der Fall Griechenland zeigt, dass ein Staat, welcher nun über 30 Jahre EU-Mitglied ist, immer noch gravierende Mängel im Staatswesen und in der Wirtschaft besitzt. Warum sollte die EU besser funktionieren, wenn sie  noch mehr Souveränitätsrechte hinzu gewinnt?

Aber die Lage ist noch viel schlechter als man denkt. Man hat schlicht vergessen, in die Ausbildung und Förderung von verlässlichen Politikern in Ländern wie Griechenland und einigen Neumitgliedsstaaten wie etwa Rumänien zu investieren. Selbst der von Deutschland favorisierte Technokrat Lucas Papademos hat sich als Enttäuschung herausgestellt. Der jetzige Premierminister Samaras war schon Kabinettsmitglied, als noch Griechenland seine gigantischen Schulden ansammelte. Es sind in Griechenland auch keine politischen Hoffnungsträger in Sicht. Aus der Krise ist auch kein solcher hervorgegangen. Die Personaldecke in der griechischen Politik ist dünn. So ist man in der europäischen Solidargemeinschaft auf Gedeih und Verderb auf politische Harzardeure (Victor Ponta), extremistischen Populisten (Alexis Tsipras) sowie auf korrupte Etablierte schlechthin angewiesen. Die Leser dürfen Silvio Berlusconi in die Kategorie einordnen, die sie mögen. Insgesamt hat die EU dieses Feld unbeachtet gelassen.

Was sind europäische Verträge letztendlich wert, wenn sie nur einseitig und nur bei Bedarf eingehalten werden? Und wenn die europäischen Partner nicht zuverlässig sind? Deutschland macht sich durch Verbindlichkeiten nur erpressbar. Die deutschen Bürger müssen ständig hören, dass die öffentlichen Kassen leer sind, aber in anderen Ländern wird mit dem Geld ganz anders umgegangen. Die Handlungen der angeblichen Euroretter gefährden zudem die freie Marktwirtschaft und unsere Rechtskultur, da sie Prinzipien wie Haftung, (Haushalts-)Autonomie, Verantwortung und Freiheit in Frage stellen und damit ein wirtschaftspolitisches und rechtsstaatliches Chaos herbeiführen. Gerade wenn deutsche Steuerzahler für spanische Regionalbanken, die zudem nicht systemrelevant sind, haften - dann ist das System ad absurdum geführt.

Nicht der Rückfall in nationale Systeme ist also das Problem. Eine Renationalisierung ist vielmehr  die einzig übrigbleibende Lösung, wenn vorrangig nationale Interessen Gemeinschaftsprojekte zum Scheitern bringen. Nationale Systeme sind gemeinschaftlichen Systemen in dieser Hinsicht zudem an Erfahrung, Sachverstand und Struktur weit überlegen.

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