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Samstag, 26. Januar 2013

Wasser: Vom Allgemeingut zur Handelsware?

Wasser ist in der europäischen Kultur ein Allgemeingut. Für die meisten Bewohner war es lange Zeit frei verfügbar. Deshalb haben die Bürger ein starkes Interesse an guter Wasserqualität und an dem Schutz des Wassers vor Verunreinigungen entwickelt. In den Dörfern gab es Brunnen und Gumpen, wo ein jeder frei Wasser schöpfen konnte. Es gibt heute immer noch Leute, die ihr Trinkwasser an natürlichen Wasserquellen entnehmen. Einige Hausbesitzer, insbesondere im ländlichen Raum, haben Brunnen zur autonomen Wasserversorgung auf ihrem Grundstück. Die Wasserqualität und -versorgung war nicht immer gleich gut verteilt und gesichert. Deshalb hat man zunächst in Städten und dann in kleineren Ortschaften wie beispielsweise Anfang des 20. Jhs. auch in Daseburg bei Warburg Wasserleitungen gebaut, ähnlich wie in Städten, um mit einer zentralen Wasserversorgung diese Defizite abzuschaffen, wie die Dokumentation aus Daseburg darlegt. In den 1960-er/70-er Jahren wurden auch die Abwässer kanalisiert und an die kommunalen Kläranlagen angeschlossen. Die Abwässergruben vor den Häusern auf dem Land verschwanden. Von Anfang an war die zentrale Wasserversorgung in der öffentlicher Hand. Meist lag die Versorgung und der Netzbetrieb bei den Stadtwerken. Die Wasserversorgung der Kernstädte wurde nach und nach mit denen der umliegenden Dörfer vernetzt. So entstanden große Netzwerke und deren Betreiber sind die kommunalen Unternehmen, die nach dem Kostendeckungsprinzip plus einer angemessenen Rendite abrechnen. Die Investitionen in diese Netze sind durch die Beiträge für den Anschluss an das Netz und durch die monatliche Wassergebühr von den Kunden abbezahlt.

Durch die zeitgleiche neue Wirtschaftspolitik in Großbritannien und den USA (Margret Thatcher und Ronald Reagan in den 1980-er Jahren) wurden dort öffentliche Unternehmen privatisiert: Öffentliche Betriebe wurden meiststeigernd an profitorientierte Konzerne oder Konsortien verkauft. Damit konnte der bisherige Besitzer die öffentlichen Schulden und die öffentlichen Verpflichtungen reduzieren. Den Bürgern hat man mit diesem Schritt mehr Effizienz, somit günstigere Preise und besseren Service versprochen, was selten eintraf. Die Privatisierung hatte zur Folge, dass der Service bzw. das Produkt aus Gründen des privatunternehmerischen Profitstrebens meist teuerer wurde. Die Preise dieser Unternehmen stiegen auch, weil in manchen Bereichen so gut wie kein Wettbewerb zwischen mehreren Unternehmen möglich ist. Es gibt nun eine neue Konzessions-Richtlinie der Europäischen Kommission, nach der die Wasserwirtschaft in der EU privatisiert werden soll. In manchen EU-Ländern wie in Portugal, welches seine Wasserversorgungs-unternehmen schon privatisiert hat, stieg seit dem Verkauf der Versorgungsnetze der Preis pro m3 Wasser um 400%!!! Zusätzlich können die Unternehmen die Wasserqualität durch Mischung mit qualitativ schlechterem Wasser reduzieren, um den Profit zu steigern. Diese Entwicklung scheint ein politischer Irrweg und gesellschaftlich unverantwortlich zu sein, da erstens ein Allgemeingut zu einer Handelsware gemacht wird, zweitens eine bezahlte Infrastruktur an profitorientierte Unternehmen veräußert wird und drittens, weil das Qualitäts-Preis-Verhältnis Gefahr läuft, sich zu verschlechtern. Viertens besteht die Gefahr, dass gutes Wasser exportiert wird und die hiesige Bevölkerung mit schlechtem Wasser vorlieb nehmen muss. Um diese Entwicklung zu verhindern, gibt es nun eine Bewegung, die Unterschriften sammelt, um die Privatisierung der Wasserversorgung zu verhindern.

Donnerstag, 3. Januar 2013

Was hat der Ort Welda mit Frankreich zu tun?

Welda, ein westfälischer Ort am ehemaligen kurhessisch-waldeckisch-paderbornischen
Dreiländereck in der Mitte Deutschlands, liegt etwa 400km von der deutsch-französischen Grenze entfernt. Im Januar 2013 feiern Deutschland und Frankreich das 50. Jubiläum der Unterzeichnung des Élysée - Vertrags von 1963. Im öffentlichen Bewusstsein denkt man bei deutsch-französischen Beziehungen meist an Grenzorte und an die damaligen Staatschefs Charles de Gaulle und Konrad Adenauer. Die Geschichte der Ortschaft Welda mitten in Deutschland jedoch zeigt auch andere Verbindungslinien zwischen diesen Staaten.

Die ersten dokumentierten Kontakte kamen durch die französische Armee, die an der Schlacht von Warburg während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) teilnahm. Sie durchquerte das benachbarte Welda und machte dort auch Quartier.

Durch die französische Revolution von 1789 ergaben sich für Welda einigee Folgen.
Im Jahre 1795 wählten die politischen Vertreter in Welda zum ersten Mal einen Nicht-Meier (Kötter) anstatt eines Meiers (Großbauer) zum Bürgermeister. Die sieben Vollmeier beschwerten sich beim Geheimen Rat des Fürstbistums Paderborn, mit der Begründung, dass wohl ,,die Köttere das französische Principium Freiheit und Gleichheit [und Brüderlichkeit] ergriffen hätten. welches aber von einem Hocherw. Geheimden Rathe gnädigst abzuwenden alle Vorsorge treffen werden''.

Und zweitens wenig später, als durch die Französische Revolution unter der Herrschaft der Jakobinier die französischen Geistlichen ihr Land verlassen mussten. Das Fürstbistum Paderborn nahm einige französische Priester auf und setzte sie in ihren Pfarreien wie bespielsweise in Welda ein. Jean Nicolas Rappe blieb von 1796 bis 1808 in Welda. Als Pfarrer hatte er auch die örtliche Schulaufsicht. Der damalige Schulinspektor und Franziskaner Damanzius Himmelhaus vermerkte damals in seinem Report die 'französische Strenge' an dieser Schule.

Französische Trappisten versuchten 1802 eine 'Erziehungsanstalt' auf Schloss Welda zu gründen. Das Hochstift Paderborn wurde 1803 durch die Preussen annektiert. Die damalige preussische "Spezialorganisationskommission" schloss das Projekt 1803 vorzeitig, da ihr die Schule zu streng und die 'Erziehungsmaßnahmen 'unmenschlich' erschienen. Das verwundert eigentlich, denn die Preussen waren ja auch nicht gerade als Weichlinge bekannt. Aber vielleicht hatten die deutschen Schulen Angst vor unliebsamer Konkurrenz. Es zeigten sich schon vor über 200 Jahren markante Unterschiede zwischen dem deutschen und französischen Schulsystem. Ob dies die Entwicklung der heutigen deutschen Schulen erklärt? Es wäre interessant zu wissen, was aus dieser Schulgründung geworden wäre, wenn man sie nicht geschlossen hätte.

Nicht zu vergessen ist gewiss das Königreich Westfalen, das von Napoleon im Jahre 1807 gegründet worden ist. Die Idee, ein Territorium Westfalen einzurichten, war im Ansatz nicht verkehrt. Allerdings weite Teile Westfalens nicht einzugliedern und die Landeshauptstadt in Kassel anzusiedeln, war nicht so ,lustik'. "König Lustik" war der Spitzname von Jérôme Bonaparte, dem Bruder Napoleons. Er regierte damals Westfalen. Die Katholiken verbanden mit ihrer Ansicht nach ebenfalls katholischen Franzosen eine Verbesserung ihrer Position gegenüber der kurz vorher erlebten preussischen Herrschaft. Aber hier kannte man die Ziele der Revolution und des Laizismus nicht gut genug und war deshalb umso mehr enttäuscht. Umgekehrt verstanden die Franzosen nicht, diese Erwartung in der Bevölkerung für sich zu nutzen. Diese französische Zeit hat übrigens französische Begriffe und Lehnwörter in die hochdeutsche und niederdeutsche Sprache gebracht, die als Relikte noch heute erhalten sind. Zudem führten die Franzosen die Emanzipation der Juden, die Abschaffung der Stände und der Leibeigenschaft sowie die Gewerbefreiheit ein.

Einen Bezug zu Frankreich hatte die Weldaer Schriftstellerin Ferdinande von Brakel über ihre 1806 geborene Mutter Charlotte Leontine von Brackel geborene Asbeck. Die Mutter Charlottes war die Marquise Ferdinandine de Ghistelles. Sie war am Französischen Königshof Hofdame, musste aber wegen der Revolution über Belgien nach Deutschland flüchten. Versuche, mehr über diese Familie in Frankreich in Erfahrung zu bringen, scheiterten an dem Antwortverhalten des dortigen historischen Vereins.

Gewiss waren auch Weldaer als rekrutierte Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg bzw. sind da gefallen. Aber es gibt keine spezielle kriegerischen Erinnerungen oder Ressentiments gegen Frankreich. Das Hochstift hatte keine Armee und sie war auch nie bis Frankreich. Im Gegenteil Frankreich war meist die bevorzugte Schutzmacht zu Zeiten des Hochstifts.

Während des Zweiten Weltkriegs waren u.a. auch französische Kriegsgefangene in Welda zur landwirtschaftlichen Arbeit eingesetzt. Die Kontakte zur Weldaer Bevölkerung waren so freundschaftlich, dass nicht wenige dieser Kriegsgefangenen nach dem Krieg regelmäßig zum Besuch nach Welda kamen. Sie waren bei Weldaer Familien untergebracht und brachten auch ihre Familienangehörigen mit. Dabei waren die Verkehrsverbindungen noch sehr schwierig, es gab noch keine Autobahn, die bis in die Region führte.

Fazit: Die Frage, ob Welda vom französischen Einfluss mehr profitiert als Schaden genommen hat, liegt im Auge des Betrachters. Die Französische Revolution hatte sicherlich greifbare Auswirkungen auf Welda. Dies zeigt, dass die deutsch-französischen Beziehungen nicht nur eine Frage der Grenze sind. Das Bild vom Boche, dem ,häßlichen Deutschen', wurde, wie das Beispiel der Kriegsgefangenenkontakte zeigt, relativiert. Versöhnung und menschliches Miteinander stehen hier anstelle von Feindschaft und Hass. So sind nicht zuletzt auch in Welda, mitten in Deutschland, die Grundlagen für die Akzeptanz des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages geschaffen worden. Diese Grundlagen sind nicht immer übertragbar, beispielsweise auf das Verhältnis zwischen Israelis und Araber. P.S.: Übrigens war Westfalen auch ein Zufluchtsgebiet für die Verfolgten der französischen Revolution und somit auch ein Gebiet der deutsch-französischen Begegnung.