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Montag, 25. Juli 2011

Das Dilemma der Lokalzeitungen

Diese Tage im Juli 2011 feierte ein ostwestfälischer Zeitungsverlag einen runden Geburtstag. Zu diesem Anlass gab es in Warburg zwei Veranstaltungen: 1) ein Treffen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft im Warburger Land, wo über die Herausforderungen der Region diskutiert wurde sowie 2) virtuell ein Online Chat mit der Chefredaktion zu einer Zeit 15-17h während die arbeitende Bevölkerung noch am Arbeitsplatz sitzt. [Link]

Ein Großteil der Diskussion im Chat drehte sich um Pauschalkritik (Boulevard-Niveau) oder um technische Fragen zum Online-Angebot der Zeitschrift und iPad oder Möglichkeiten für junge Leute in der Redaktion zu arbeiten oder über die Aufgaben und über den Arbeitsalltags des Chefredakteurs. Der Wunsch der Redaktion Anregungen durch diesen Dialog im Chat mit den Lesern bzw. Bevölkerung zu bekommen wurde kaum erfüllt. Einige Chat-Teilnehmer kennen offenbar noch nicht den Unterschied zwischen Kritik und Meckern. Dabei fällt einem gleich eine Anregung ein, die eine Lokalredaktion aufgreifen könnte. Die Lokalzeitung kann durch einzelne Artikel volksbildnerisch tätig werden. Dies ist für vielen Leser vielleicht ein altmodischer Begriff. Meine älteste Verwandte würde es anders ausdrücken: ''den Leuten fehlt Kultur und keiner sagt ihnen das''. Aber ob eine Zeitschrift, deren Vorgängerzeitschrift sich als Sprachrohr der Arbeitsklasse verstand, dies aufgreift und dies nicht als Bevormundung ihrer Leser begreift, bleibt offen. Zumindest wäre der eine oder andere Knigge-Artikel nicht zum Schaden der Persönlichkeitsentwicklung einiger Einwohner, deren Vorfahren sich meist als Bauern oder Tagelöhner verstanden haben. Wenn diese Knigge-Artikel nicht reichen, kann man auch den Pastoren eine Rubrik überlassen, in denen sie ihre Gedanken und Erfahrungen zur Moral und zum menschlichen Umgang einbringen.

Da es in dem Chat nur wenige Anregungen gab, sollen hier einige nachgeliefert werden. Eine Lokalredaktion hat einige Vorteile und einige Nachteile gegenüber überregionale Zeitschriften. Für den lokalen Leser bzw. den auswärtigen Leser mit Bezug zum Warburger Land interessieren vor allem lokale Informationen. Dies klingt trivial, ist es aber nicht. Nehmen wir das Wetter, heute kann man im Internet die lokale Wettervorhersage für eine Woche oder sogar zwei Wochen finden. Diese Informationen sind meist Bezahlinhalte. Aber warum findet man diese Informationen nicht in einer lokalen Zeitschrift? Diese Information würden einen Mehrwert für die Leser darstellen. Das Wetter interessiert nun wirklich immer noch viele Leute.

Warburg liegt am Rand von NRW bzw. Ostwestfalen etc. an der Grenze zu Nordhessen. Wenn ich im Warburger Land wohne, dann interessieren mich auch grenzübergreifende Neuigkeiten und Ereignisse aus Volkmarsen, Rhoden, Liebenau etc. und sogar aus Bad Arolsen, Korbach, Kassel. Denn nicht wenige Bewohner fahren über die Landesgrenze zwecks Einkaufen und zum Arbeitsplatz. Die Warburger Lokalzeitungen könnten die Informationen mit den dortigen Lokalzeitungen HNA, Waldecker Landeszeitung austauschen. Nicht, dass man deren Artikel einkaufen und diese wiederabdrucken muss. Eine Zusammenfassung oder Hinweise auf Veranstaltungen/ Termine und Ereignisse wäre schon hilfreich. Dies gilt bestimmt auch umgekehrt. Dann verliert sich vielleicht aufgrund der zusätzlichen Nachrichten der subjektive Eindruck, dass das Gebiet hinter der Egge in Düsseldorf vergessen ist. Diesen Eindruck haben übrigens auch die Waldecker und anderen Nordhessen von ihrer Landeshauptstadt. Hierzu ist anzumerken, dass es eigentlich unwichtig ist, ob Tagesnachrichten aus dem Warburger Land auch im Ruhrgebiet oder in der Rheinschiene durchdringen, genauso wie umgekehrt. Auch wenn einige Teilnehmer im Chat dies so wünschen.

Die Artikel der beiden Lokalzeitschriften hinterlassen fast immer den Leser den Eindruck von Hofberichterstattung. Kritik an Politik und Gesellschaft verbietet sich, wenn man ,,als Chefredakteur mit den Bürgermeistern der Region seinen Tag mit einem gemeinsamen Arbeitsfrühstück'' beginnt :). Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf die Berichte, deren Eindruck von Hofberichterstattung man sich nicht erwehren kann. Das Dilemma lässt sich auch nicht einfach auflösen, einerseits abhängig zu sein von der Politik und mit ihr zu kooperieren und andererseits auch unabhängig zu berichten. So bleibt es nicht aus, dass überregionale Magazine eher Skandale und Berichte von Mißwirtschaft aufgreifen und ,,die Quote machen''. Die Lokalmedien haben dann eher das Nachsehen und wirken somit langweilig. Vielleicht helfen neue Medien aus diesem Dilemma? In Heddesheim (Bergstrasse) hat ein freier Journalist einen Stadtblog [heddesheimblog] gegründet. Er hat es geschafft mit kritischer Berichterstattung überregional bekannt zu werden. Sein Konzept wurde mehrmals im Bundesgebiet von anderen Journalisten kopiert. Außer im Warburger Land müsste so ein kritischer Blog-Journalist auch Nachbarregionen Höxter, Waldeck und Kreis Kassel mitbearbeiten, um davon leben zu können. Dass es in diesen Regionen keine Skandale oder Gründe für kritische Berichterstattung gibt, mag man einfach nicht glauben. Ein ehemaliger Journalist mit Kenntnissen und Erfahrungen in der Region wäre ideal für die Besetzung eines unabhängigen Blogs. Die Lokalredaktionen könnten dann über die Ergebnisse des Blogs ganz befreit aufgreifen und berichten.

Eine Lokalzeitung kann vielleicht eher oder zunächst historische Skandale aufarbeiten, da diese meist ungefährlich sind. Lokalgeschichte würde sich ebenso gut in die lokale Berichterstattung einfügen. Natürlich ist die Aufarbeitung der Lokalgeschichte arbeitsintensiv. Deshalb wird in den Lokalzeitschriften gerne über historische Ergebnisse und Arbeiten anderer Geschichtsforscher berichtet. Aber die Zahl der Heimatgeschichtsforscher geht stark zurück. D.h. den Lokalzeitschriften bleibt nichts anderes übrig, als selbst in der Lokalgeschichte zu recherchieren. Über den Verkauf von Online-Bezahlinhalte und/oder durch Wiederverwertung der Artikel in einem Buch kann man eventuell den finanziellen Mehraufwand wieder hereinholen.

Mehrwert bekommen die Leser auch, wenn sie über Tipps und Erfahrungsberichte in der Region und Nachbarregion lesen. Wo können Familien mit Kindern ihre Freizeit am Wochenende verbringen? Wo kann man gut essen gehen? Wo kann man etwas im Warburger Land vorteilhaft kaufen, wovon man noch gar nichts wußte? Wie hat sich jemand erfolgreich selbständig gemacht? Dies wäre etwas für Leute, die im Warburger Land wohnen und arbeiten bzw. bleiben möchten. Wie sehen Auswärtige (Besucher) die Landschaft und die Bevölkerung? Dies sind doch interessante Meinungen, die für die Selbstreflektion, die Selbsteinschätzung und für die Maßnahmen zu Änderungen wichtig sind.

Zum Thema Qualität: Nicht nur im Chat, auch von einigen Personen, die man kennt und über die oder ihre Aktivitäten in der Presse berichtet wurde, hört man nicht selten, dass die Berichte fehlerhaft sind. Dies ist meist ärgerlich. Denn man hat den Journalisten alles erklärt und viel Zeit investiert und dann kommen Fehler, die den Leser irreführen und die man in vielen Gesprächen geradestellen muss. Warum macht sich die Redaktion sich nicht die Mühe die Artikel gegenlesen zu lassen? Wer auch immer die Fehler einbaut (Redakteur oder Chefredaktion), es hinterlässt keinen guten Eindruck, wenn fehlerhaft berichtet wird. Die Qualitätskontrolle sollte auch in den Lokalredaktionen ein Standardwerkzeug sein.

Dies sind nur einige Anregungen...

Nun zur Expertenrunde aus Gesellschaft und Politk. [Link] Gut, die Leser wissen, dass die junge Bevölkerung nach der Ausbildung aus dem Warburger Land abwandert. Bei mehreren weiterführenden Schulen vor Ort ist dies auch keine Überraschung. Die Einwohner wissen um den demographischen Wandel und ihre Folgen. Dies ist ja schon ein Dauerbrenner in den Medien. Sie wissen auch, dass die Kirchenbesucherzahlen zurückgehen. Aber wo ist das ,,Fleisch''? Wo sind die neuen Erkenntnisse und die besseren Lösungen? Man könnte wetten, dass wenn man ein paar Leute auf der Strasse in Warburg befragt hätte. Man hätte einen Artikel mit gleichen Aussagen zusammenbekommen. Wo ist also der Mehrwert Experten an einen Tisch zu bekommen? Was war neu in der Diskussion? Was sind die neuen Ergebnisse?


Nachtrag

Mit dem gleichen Thema haben sich schon andere Autoren beschäftigt. s.a.: [Link]. Dieser verlinkte Beitrag ist, wie im Titel angedeutet eine Polemik, aber der gleiche Autor gibt an anderer Stelle auch ein gutes Beispiel von gelungenem Lokaljournalismus, s.a.: [Link]

Aber nicht nur das. Norbert Schnellen (Anmerkung: Dieser Herr ist Ortsheimatpfleger von Medebach und Mitarbeiter der Anzeigenabteilung des Briloner Anzeiger) schreibt darüber hinaus Woche für Woche eine Kolumne, die prominent auf der ersten Seite platziert, lokale Themen intelligent und lebendig aufgreift und den Leser/ die Leserin auf die Höhe der Zeit hebt. Mit viel Heimatliebe betreibt der Autor “Aufklärung auf Augenhöhe”, die ich sonst in den Blättern des Hochsauerlandes nicht finde.

Im oben abgebildeten Artikel, werden die Themen “Urbanisierung”, “Demographischer Wandel” und “Ökologie” treffend und ohne ideologischen Holzhammer aufgegriffen und mit konkreten Utopien, hier beispielsweise mit dem “Mehrgenerationen-Wohnprojekt” verbunden.


Wenn lokale Themen immer so kompetent und interessant aufgegriffen werden, wie bei diesem Ortsheimatpfleger bzw. Mitarbeiter der Anzeigenabteilung einer Lokalzeitung, dann braucht man sich um den Lokaljournalismus wenig Sorgen machen. Ein Thema, welches in dem dort gescannten Artikel ''Baulücken'' angesprochen wird, soll im nächsten Beitrag dieses Blogs behandelt werden.

Nachtrag Nr. 2:

Gerne wollen wir den Hinweis des Kommentators Hannes aufgreifen: Bei dem Autor
Norbert Schnellen des Briloner Anzeigenblattes bzw. seiner ''Schreibe'' handelt es sich um eine Ausnahme. Lokaljournalistisch sollte man von derartigen Blättern nicht viel erwarten.


Dennoch zeigt dieses Beispiel, was man aus derartigen Blättern ''zaubern'' kann. Gleiches gilt übrigens auch für Webseiten über einen Ort.

Freitag, 8. Juli 2011

Kulturelles Erbe in der Welt und in Welda

Gründer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz erhält in Heidelberg Deutschen Nationalpreis

Die feierliche Übergabe des deutschen Nationalpreises 2011 fand am 27. Juni 2011 in der frisch renovierten Neuen Aula der Universität Heidelberg statt. Die Grußworte sprach der Rektor der Heidelberger Universität, Prof. Bernard Eitel, der über das historische und kulturelle Erbe der Universität referierte, welche gerade ihre 625-Jahr-Feier begeht.

Als Vertreter der Deutschen Nationalstiftung sprach Prof. Dr. Richard Schröder. Anekdotenhaft und im historischen Kontext erzählte er über die Denkmalpflege und den Erhalt des Kulturerbes, insbesondere auch in der DDR und in der Nachwendezeit.

Da Altpräsident Richard von Weizsäcker krank war, hat die ehemalige Bürgermeisterin von Wismar und jetzige Vorsitzende der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, Rosemarie Wilcken, quasi die Nachfolgerin des Laureaten, an Stelle Weizsäckers eine sehr persönlichen Rede gehalten. Indem sie immer wieder auf den eigentlichen Preisträger und Schirmherrn der Deutsche Stfitung Denkmalschutz zu sprechen kam, hat sie auf ihre Zusammenarbeit mit ihm und seine Bedeutung für den Erhalt der historischen Gebäude in Wismar und vielen anderen ostdeutschen Städten wie Stralsund und Quedlinburg hingewiesen. Ebenso beschrieb sie die Geschichte der Stiftung. Prof. Kiesow war lange Zeit oberster Landesdenkmalpfleger in Hessen und hat die Deutsche Denkmal-Stiftung nach dem Vorbild des englischen National Trust vor der Wiedervereinigung gegründet, welche mittlerweile ein Stiftungskapital von 500 Mio Euro besitzt. Er gründete auch noch eine weitere Stiftung mit seiner verstorbenen Frau. Er engagiert sich außerdem in Polen, wo er mit seinen Denkmalschutzinitiativen Völkerverständigung fördert.

Die Schlussworte bei der Preisverleihung sprach die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Frau Poensgen. Alle Reden betonten die Bedeutung des Erhalts der Baudenkmäler für das kulturelle Erbe unserer vielfältigen Landschaften in Deutschland. Ebenso wichtig sei die identitätsstiftende Wirkung dieser Baugeschichte. Denn diese stelle auch ein gemeinsames Band der Regional- und Ortsgeschichte dar. Leider gebe es bei vielen Verantwortlichen in den Kommunen und auch in der Bevölkerung immer noch Menschen, die den Wert dieser Baudenkmäler für die deutsche Geschichte geringschätzen.

Beim anschließenden Empfang bestand die Möglichkeit, im Innenhof der neuen Universität mit den Teilnehmern und Vortragenden über verschiedene Themen zu diskutieren. Das aus den späten 20-er Jahren stammende Gebäude der neuen Universität steht übrigens auch unter Denkmalschutz.

Eigentlich passen die Reden der Veranstaltung sich nahtlos an die Schützenpredigt vom 16 . Juni 2011 in Welda an: Denn auch hier wies Pastor Weskamp in seinem Dreipunkteprogramm auf den Erhalt des kulturellen Erbes in der Region und die wertschätzende Weitergabe an jüngere Generationen hin. Bei der Preisverleihung an Kiesow wurde übrigens auch das christliche Erbe und das Handeln als Christ betont. Gewiss, das lag auch an der Biographie einiger Redner und Preisträger, die aus protestantischen Pfarrhäusern stammen.

Wichtig ist, dass ein Verständnis bei den Verantwortlichen und in der breiten Bevölkerung vorhanden existiert, das kulturelle Erbe der vorhergehenden Generationen zu erhalten. Manche Bürger und Verantwortliche meinen, dass alte Gebäude oder Bodendenkmäler oder nichtmaterielle Erbe (Mundarten, alte (hand-)Schriften) nicht wert sind zu erhalten. weil sie nie gelernt haben diese Werte zu erkennen und zu schätzen. Für einige sind die Begriffe 'historisch-kulturelle Erbe und Identität' Fremdwörter, die vielleicht in ihre Sprache (in welcher nur?) übersetzt werden müssen oder diese Personen müssen pädagogisch an die Idee der Kulturerhalts herangeführt werden. Und selbst die Verantwortlichen, die Sonntagsreden über das kulturelle Erbe halten, sind nicht immer konsequent genug in ihrem Handeln. Wort und Tat erweisen sich dann meist als zwei verschiedene paar Schuhe.

In jedem Fall ist sehr sinnvoll, wenn Vorkämpfer für den Erhalt des kulturellen Erbes mit allen Ehren ausgezeichnet werden. Sie sollten uns allen als Vorbilder dienen und die Bürger an die Aufgabe des Erhalt des historisch-kulturellen Erbes heranführen.

Besten Dank an O.K. für die Übertragung seiner Einladungskarte.

Nachtrag Jeder kennt die Redewendung ''die Gebete wurden erhört'. Man kann fast glauben, analog zu dieser Redewendung, dass das Postings dieses Blogs von den oben adressierten Verantwortlichen nicht nur gelesen wurde und sondern auch, dass die Anregungen befolgt werden. Jedenfalls wurde in der ''Neuen Westfälischen'' über die Gründung der Warburger Denkmalstiftung berichtet. Private Stifter, die anonym bleiben möchten, haben 500,000€ für diese Stiftung gespendet. Jeder Bürger kann das Stiftungskapital mit eigenen Spenden erhöhen. Zudem ist ein "Warburger Denkmal-Salon" geplant, der als runder Tisch gedacht ist, quasi eine Plattform von Interessenten an Denkmalschutz. Dabei soll auch die jüngere Generation adressiert werden. Mehr Informationen findet man hier: Bericht über die Gründung der Warburger Denkmalstiftung und zur Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Einen herzlichen Dank an die Stifter der Warburger Denkmalstiftung. Jetzt fehlt in Warburg nur noch eine Stiftung für die Bewahrung und Bearbeitung des immateriellen Kulturguts.