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Donnerstag, 30. Januar 2014

"Was willste machen?"

"Was willste machen?" Dieser Ausdruck wird in Ostwestfalen (OW) gerne nach Erzählungen von scheinbar aussichtslosen Sachverhalten verwendet. In Berlin sagt man hingegen eher "alternativlos". Nun ja, die südlichere Region in OW hat auch nie gelernt, für eine Sache zu kämpfen, höchstens mit ein paar schrillen kritischen Tönen dagegen. Ein scheinbar aussichtsloser Sachverhalt ist der vor kurzem eingeführte neue Pastoralverbund. Drei Priester beackern Gottes Feld in 16 Warburger Gemeinden plus einigen benachbarten Siedlungen. Alles ist in Versammlungen mit Gemeinderäten einvernehmlich abgesprochen oder doch nur von oben durchgedrückt? Erst gab es drei Gottesdienste am Sonntag bzw. Samstagabend pro Ort. Dann ist ein Geistlicher krank geworden, dann gab es nur noch zwei. Die Gottesdienstzeiten wechseln auch immer wieder, anscheinend damit die Gläubigen die Lust verlieren, überhaupt noch in die Kirche zu gehen. Es ist sogar schon passiert, dass Pfarrer selbst die zugeteilten Gottesdienste vergessen. Die Pfarrer fahren von einem Gottesdienst zum nächsten. Zeit für Gespräche vor Ort mit den Gläubigen bleibt da nicht mehr. Unter Seelsorgedienst versteht man eigentlich etwas anderes. Aber auch während der Woche gibt es vor Ort keine Sprechstunden mit den Priestern. Nur bei Beerdigungen, Taufen und Hochzeiten bekommt man noch ein Gespräch mit einem Priester. Das Argument, dass es immer weniger Priesteramtskandidaten gibt und Nachwuchs fehlt, wird meist als Grund vorgeschoben. Aber die alten Priester im Ruhestand dürfen auch nicht immer einen Gottesdienst zelebrieren, wenn sie wollen, höchstens wenn sie sollen (nach Meinung der amtlichen Priester). Das Ganze ist in anderen Institutionen auch bekannt. Die Alten sollen zu keiner unliebsamen Konkurrenz werden. Die Bedürfnisse und Wünsche der Gläubigen werden der Politik und Philosophie der Leitungshierarchie untergeordnet. Was die Kirchenverantwortlichen noch nicht verstanden haben, ist, dass man die Seelsorger da einsetzt, wo sie gebraucht werden. Und dies ist weniger in der Verwaltung und bei Renovierungen, sondern da, wo die Gläubigen Unterstützung brauchen. In der Schweizer Kirche können auch Laien die Verwaltungsaufgaben übernehmen. Diese Veränderung bedeutet gewiss für die Priester auch Abgabe von einem Teil der Macht und Kontrolle. Es muss die Arbeit der hauptberuflichen Laien und auch der Ehrenamtlichen mehr geschätzt werden, was in den letzten Jahren zu selten geschah. Denn christliche Laien können durchaus gute Verwalter und Gestalter in der Kirche sein. Ob die Laienverantwortung in der Schweiz an der Nähe zu Rom liegt, darf man bezweifeln. Aber vielleicht sind die Schweizer einfach intelligenter? Deshalb muss man für mehr Seelsorge und mehr Nähe zu den Gläubigen und weniger Verwaltung und Macht plädieren. Analog dazu passt ein Werbespruch einer deutschen Wochenzeitschrift: Gute Taten, gute Taten, gute Taten und immer an die Gläubigen denken!

Sonntag, 5. Januar 2014

Bedeutet die neue Regierung auch gleich einen neuen Wind für den ländlichen Raum?

Seit Ende 2013 gibt es eine neue Regierung auf der Bundesebene. Es gibt auch einen neuen Bundesgesundheitsminister Gröhe. Er war zuvor Generalsekretär der CDU. Eine seiner ersten Ankündigungen ist es den Ärztemangel auf dem ländlichen Raum zu beheben. Dies ist von der Idee her, dem ländlichen Raum helfen zu wollen, lobenswert. Was sind nun seine Lösungsvorschläge? Zum ersten schlägt der Minister vor, Anreize für junge Ärzte zu schaffen, damit diese in den ländlichen Raum gehen. Man kennt ein ähnliches Modell bei der Bundeswehr: einen erleichterten Zugang zum Medizinstudium bei gleichzeitiger Verpflichtung einige Jahre dem Militär als Arzt zu dienen. Bei einer Ausbildung von 6 Jahren Studium und 5 Jahren Facharztausbildung, greift dieses Modell frühestens in 11 Jahren. Dieser Vorschlag soll sogar schon früher von zwei sogenannten Gesundheitsexperten vorgeschlagen worden sein. Ob diese Kandidaten auch gute Ärzte sein werden, steht auf einem anderen Blatt. Der Lösungsvorschlag ist vielleicht gut gemeint, klingt wenn man ihn kritisch interpretiert populistisch. Denn er löst nicht die heutigen Probleme. Zudem sollen Krankenhausärzte mehr ambulant arbeiten können, wenn Kapazitäten frei sind. Dies klingt auch gut gemeint. Aber es gibt da einen generellen Interessenskonflikt zwischen Ärztekammern und Krankenhäusern. Es bleibt de facto nur die Lösung die Patienten in die größeren Städte zu fahren. Dies schafft Arbeitsplätze bei den Taxiunternehmen. Oder ein alternativer Vorschlage dieses Blogs: Einige Ärzte aus den größeren Städten gehen für zwei Nachmittage pro Woche oder am Wochenende zur Vertretung in ländliche Ersatzpraxen, gewiss mit einer guten finanziellen Zulage. Dies wäre wahrscheinlich die bessere Lösung. Denn diese Ärzte sprechen mit den Patienten auch Deutsch, anders als der Vorschlag Ärzte aus anderen Ländern zu holen. Zudem müssen die Patienten nicht zur Behandlung reisen. Kapazitäten für deutsche Ärzte, die anderswo behandeln, gibt es. So werden auch deutsche Ärzte am Wochenende nach Großbritannien geholt. Diese Ärzte können mit gut bezahlten Wochenenddiensten in Großbritannien die finanziellen Verluste ihrer Praxen gegenfinanzieren. Ein anderes Modell bietet Frankreich mit den Infirmerien. Dort behandeln ausgebildete Krankenpfleger in ihren Praxen (=Infirmerien oder in Erste Hilfe Räumlichkeiten) erste leichte Notfälle und ersetzen den fehlenden Arzt auf dem Land bei der Behandlung von geringfügigen Krankheitsfällen. Die kleinen Aufgaben wie Verbandlegen und bei Erkältungen entlasten sie die Ärzte und die Kosten des Gesundheitswesen. Diese Krankenschwestern können die Patienten auch gleich in die Krankenhäuser und zum Facharzt überweisen. Im Prinzip sollte in jeder kleinen Siedlung, ohne medizinische Infrastruktur, ein Erster Hilfe Raum, der auch als Praxis von verschiedenen auswärtigen medizinischen Fachkräften, ob Ärzte, Krankenpfleger, Therapeuten usw. genutzt werden kann, eingerichtet werden. In Frankreich ist die ländliche Struktur noch stärker geprägt (64,6 Mio Einwohner auf 668.763 km² Fläche und 36,700 Gemeinden) als gegenüber Deutschland (80,5 Mio. Einwohner auf 357.121,41 km² Fläche, und 11,179 Gemeinden (2013) zum Vergleich: 24,468 (1964). Vielleicht würde dem ländlichen Raum mehr geholfen, wenn es wie früher oder wie in Frankreich mehr Gemeinden gäben würde? Aber dies wäre vielleicht zuviel neuer Wind.


Aktualisierung und Fortschreibung: Seit der Veröffentlichung dieses Posts wurde von dem NRW-Arbeitsminister die Empfehlung an die Patienten herausgegeben Englisch zu lernen, um besser mit den nichtdeutschsprachigen Ärzten während der Behandlung kommunizieren zu können. Dies hat zu heftigen und massiven Reaktionen geführt. Es ist höchstwahrscheinlich günstiger und effizienter, wenn diese Ärzte Deutsch lernen, als wenn Millionen von Patienten Englisch lernen. Insbesondere bei älteren Patienten wird das Fremdsprachenlernen schwierig. Mittlerweile hat der neue Bundesgesundheitsminister die monatelange Wartezeiten der Kassenpatienten für Termine bei Fachärzten kritisiert. Er will den Patienten zu rascheren Terminen beim Facharzt verhelfen. Wie er dies umsetzen möchte, darüber lässt er den Patienten im Unklaren. Aber das Problem ist schon lange bekannt, nur gelöst wurde es bislang noch nicht? Neue Fachärzte werden nicht so schnell ausgebildet, dass das Problem noch in dieser Legislaturperiode gelöst sein wird. Vielleicht sollte man das Arbeitsalter der älteren praktizierenden Ärzte anheben? Normalerweise sollten die Hausärzte in dringlichen Fällen beim Facharzt wegen der Terminvergabe intervenieren. Man muss wahrscheinlich ein Prioritätenmodell entwickeln, welches Akutfällen vor Routineuntersuchungen den Vorrang gibt. Ob die Minister auch unter einem Realitätsverlust leiden, wird sich erst zeigen, wenn die Probleme gelöst werden oder nicht. Medizinisch behandeln kann man den Realitätsverlust leider noch nicht.